Mit dem Kirchbau St. Johannis im Jahre 1904 wurde sogleich auch eine neue Orgel gebaut – in Stileinheit mit dem neugotischen Innenausbau nach den Plänen des Architekten Mohrmann, eines Schülers von Conrad Wilhelm Hase.
Die in Hannover ansässige Orgelbaufirma Furtwängler & Hammer baute nach dem Klanggeschmack der Jahrhundertwende eine romantische Orgel mit 21 Registern und pneumatisch betätigter Spieltraktur zu den Kegelladen. Das neue Instrument im hohen Gehäuse erhielt seinen Platz auf der Westempore der Kirche.

Der 1. Weltkrieg hinterließ seine Spuren an der Orgel: die Zinn-Pfeifen im Prospekt wurden konfisziert und durch ein hölzernes Gitter ersetzt. Im 2. Weltkrieg beschädigten Bomben die Kirche und die Orgel. Im Jahre 1948 wurde die Nachfolgefirma Emil Hammer Orgelbau mit Umbauten der Orgel im Sinne der sog. Orgelbewegung beauftragt. Durch Verkürzen einiger ursprünglich 8′ langer Pfeifen und Austausch weniger Registern sollte eine damals übliche Klangaufhellung erreicht werden.

In den folgenden Jahren stellten sich Ausfälle in der pneumatischen Röhrenpneumatik ein, die 1966 zum Abbau der Hauptwerks-Trompete 8′ und der Pedal-Posaune 16′ führten.
1970 wurden die pneumatischen Spielkästen am Spieltisch gegen ein gebrauchtes, aber weiterentwickeltes Koppelgestell ausgewechselt, das in freier Aufstellung im Orgelunterbau seinen Platz fand. In den nächsten Jahren setzte sich der Verfall der Orgel durch Materialverschleiß fort. Zunehmend fielen durch Risse die empfindlichen Leder-Hubbälgchen auf den Kegelleisten aus. Einzelreparaturen der Orgelbauer und auch des oftmals persönlich eingreifenden Organisten Johannes Schulze konnten diese sich weiter verschlimmernde Entwicklung nicht aufhalten. Die Orgel verfiel in Agonie, war aber teilweise immer noch spielbar.
Die ausführliche Dokumentation des Orgelsachverständigen der Landeskirche Hannover, Herrn Martin Ehlbeck, im März 2003 nach seiner Visitation machte die Kirchengemeinde von St. Johannis auf den Denkmalswert der Orgel aufmerksam. Er empfahl, dieses Instrument zu restaurieren, das in seiner Bauart sowohl technisch als auch klanglich einzig in Hannover erhalten geblieben ist. Der überwiegende Teil der Orgel ist in originalem Zustand und somit von hoher historischer Bedeutung.
Im August 2003 erarbeitete die Fa. Emil Hammer Orgelbau ein detailliertes Kostenangebot für die Restaurierung der Furtwängler & Hammer-Orgel. Sie konnte sich hierbei auf die genauen Arbeitsbeschreibungen der Bauakte von 1904 des Firmenarchivs stützen.

Die Aufgabe, diese pneumatisch gesteuerte Kegelladen-Orgel als Hannovers einzig verbliebenes Zeugnis einer romantisch-orchestral konzipierten Disposition und Werkanlage wieder original zum Klingen zu bringen, weckte bei uns großes Interesse und Engagement.

Im März 2006 erteilte die St. Johannis-Kirchengemeinde, finanziell unterstützt durch die Landeskirche Hannover, uns den Auftrag zur Restaurierung der Furtwängler & Hammer-Orgel in einer alles umfassenden Maßnahme.

Schon im Mai des gleichen Jahres begannen wir mit den ersten Arbeiten. Das Studium der akribisch genauen Arbeitsbeschreibungen der Orgelbauer vor 103 Jahren war eine Hilfe von unschätzbarem Wert. Aus dem Firmen-Registerfundus wurden originale Furtwängler & Hammer Register für die Misburger Orgel ausgewählt – eine grundlegende Voraussetzung für die Wiederherstellung des originalen Klangbildes. Ein glücklicher Umstand war, dass durch den vor wenigen Jahren erfolgten Abbau der Furtwängler & Hammer-Orgel der St. Johannis (!) Kirche in Uppsala/Schweden eine Reihe weiterer originaler Register der gleichen Bauzeit zur Verfügung standen, die in der Misburger St. Johannis-Kirche ihren neuen Platz fanden.

Das 5-registrige Pedal-Bassfundament und das 10-registrige Hauptwerk sollten wieder genau so erklingen wie vor 103 Jahren. Allein im 6-registrigen Schwellwerk wurden 2 Register aus dem Umbau von 1948 zur Klangaufhellung übernommen. Das Wissen um das besondere Klangspektrum dieser Orgel wurde durch exakte Mensurwahl der wiederhergestellten Pfeifen umgesetzt.

Im September starteten die umfassenden Maßnahmen zur Zerlegung der Orgel, der Reinigung aller Bestandteile von über 100 Jahren Staub und Schmutz und die Restaurierung und Ergänzung vieler Teile. Hier einige Beispiele: Es mussten über 1.250 winzige Hubbälgchen aus speziell konisch zugeschnittenen Hölzchen und 0,2 mm dünnem Spaltleder angefertigt werden, die in Sisyphusarbeit auf gereinigte Kegelleisten und Koppelgestell-Relais-Leisten aufgeleimt wurden. Die 3 Windladen und der große Magazin-Faltenbalg wurden bis ins Innere geöffnet und vom 100 Jahre alten, dicken Windruß gereinigt. Die neu gefertigten Drehtüren des Schwellwerkes erhielten über mechanische Wellen Verbindung zum Balanziertritt im Spieltisch. Die gesamte pneumatische Spieltraktur musste erneuert werden – angefangen am Spieltisch. Alle Wippschalter wurden erneuert und ca. 300 m neue Bleirohre zu den Relaisstationen im Koppelgestell und zu den Windladen eingebaut.

Disposition

Hauptwerk

Bordon 16′
Principal 8′
Gamba 8′
Dolce 8′
Offenflöte 8′
Octave 4′
Rohrflöte 4′
Rauschquinte 2-f
Mixtur 3&4-f
Trompete 8′
Großmixtur 5-f

Schwellwerk

Geigenprincipal 8′
Salicional 8′
Lieblich gedackt 8′
Principal 4′
Waldflöte 2′
Krummhorn 8′

Pedalwerk

Violon 16′
Subbass 16′
Prinzipalbass 8′
Cello 8′
Possaune 16′

Spielhilfen: Manualkoppel II/I, I/Ped, II/Ped, Oberoctavkoppel
4 feste Kombinationen: tutti, forte, mezzpforte, piano
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